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Kazimierz - das Jüdische Viertel

"Viertel" kann dieser Teil Krakaus kaum genannt werden - es ist eine Vorstadt, die im Mittelalter von dem gleichnamigen polnischen König angelegt wurde, im Jahre 1335, also zur Zeit der beginnenden Gotik. Eigentlich war Kazimierz eine Stadt für sich, auf der südlichen Seite der Weichsel. Auf paradoxe Weise zu einem Stadtteil Krakaus gemacht wurde es erst 1495, als König Jan Olbrecht anordnete, daß alle Juden Krakaus die Stadt verlassen und nach Kazimierz umsiedeln müssten.

Im Gegensatz zum Prager Jüdischen Viertel, dessen enge und dunklen Gassen im 19. Jahrhundert vollständig abgerissen wurden, um nach Pariser Vorbild an deren Stelle breite, helle Boulevards zu errichten (wobei außer drei Synagogen und dem Friedhof kaum ein Gebäude erhalten blieb) sind im Krakauer Ghetto noch zahlreiche Gebäude aus früherer Zeit erhalten. Tatsächlich war der Bezirk auch Drehort für den berühmt gewordenen Film von Stephen Spielberg "Schindlers Liste". Darin geht es um die Zeit des Zweiten Weltkriegs, um den Holocaust der Nazis, deren Todesfabrik wenige Kilometer vor Krakau errichtet wurde: in Ausschwitz-Birkenau. Der Fabrikant Schindler rettete - eine wahre Begebenheit - mehrere Hundert Juden vor dem Tod, indem er sie als Zwangsarbeiter für seine kriegswichtige Fabrik im südlich gelegenen Böhmen reklamierte. Zur Zeit des Einmarschs der deutschen Armee lebten ungefähr 40 000 Juden in Kazimierz, die bis März 1943 nach Auschwitz-Birkenau oder in das Konzentrazionslager Plaszow deportiert und dort ermordet wurden.

Heute wohnen ungefähr 100 Juden in Kazimierz, doch sei der Bezirk "focal point for the 5000 Jews still living in Poland" (Focus für die die heute noch in Polen lebenden 5000 Juden, so der US-amerikanische Reiseführer Let's Go Eastern Europe (Ausgabe 2002). Let's Go empfiehlt den Jarden Bookstore, ul. Szeroka 2, der eine zweistündige Tour durch das Jüdische Viertel anbiete, wobei die Drehorte von Schindler's Liste besucht würden, sowie u.a. auch einen Ausflug zum ehemaligen Konzentrationslager Plaszow südlich von Krakau, Plaszow ist von den Nazis beim Rückzug der deutschen Armee vollständig zerstört worden und sei heute ein "long, overgrown field" - "ein langes, überwachsenes Feld."

Einstiges und heutiges Zentrum von Kazimierz ist die Szeroka-Straße, die auch "Breite Straße" genannt wird, da es sich eigentlich um einen rechteckigen Platz handelt. An dessen Südseite befindet sich die Alte Synagoge, dahinter ein erhaltenes Stück Stadtmauer. Auf der Nordseite zu sehen ist der Jordan-Palais, ein Renaissancepalais eines Adeligen mit Backsteinfassade. In der Nordostecke erhalten ist das Mikwa-Bad, neben dem Bad die Remuh-Synagoe mit gleichnamigem Friedhof. Im ehemaligen Wohnhaus des Rabbis befindet sich heute das Café Ariel.

Die Alte Synagoge (Stara Synagoga) ist die älteste erhaltene in Polen und gilt als einer der "wertvollsten" jüdischen Sakralbauten in Europa (Isabel Gawin, Krakau), erbaut im 15. Jahrhundert. Baumeister war der Italiener Matteo Gucci, fertiggestellt wurde das Gebäude im Jahre 1570, also zur Zeit der Renaissance. Gawin macht auf folgende Elemente aufmerksam: die "käfigartige" sogenannte Bima, wo der Rabbi aus der Thora lies, die schmiedeeisernen Gitter, die oben von einer "prächtige Krone" abgeschlossen würden, ein Symbol der Weisheit Gottes, den Altarschrein, in dem die Thorarollen aufbewahrt wurden, die steinerne Nische für das Ner Tamid, das ewige Feuer.
In der Synagoge ist heute ein Museum für jüdische Geschichte und Kultur untergebracht, das Kultgegenstände, Thorakronen, Schabbes- und Chanukkaleuchten ausstellt. Tafeln in englischer und polnischer Sprache erklären Bräuch und Lebensweise der Juden. Sehenswert sei der Synagogenhof, wo einst die Trauungen, vollzogen worden seien. Gawin gibt auch einen Hinweis auf die ehemalige Synagoge "Auf'n Bergel", die vom Hof über Treppen zu erreichen sei. Hier befinde sich der Wirkungsort des Kabbalisten Nathan Spira, auch M'galeh Amukot genannt, der im 17. Jahrhundert hier lebte.
Let's Go Eastern Eur

Die Remuh-Synagoge in der Ulicka Szeroka 40 - nur wenige Meter entfernt also - ist von viel kleineren Abmessungen. Sie wurde 1553 fertiggestellt - das Gebäude ist allerdings eine Rekonstruktion aus dem Jahre 1963. Erhalten ist ein Steinaltar aus dem 16. Jahrhundert, in dem die 10 Gebote eingemeißelt sind.
Die Synagoge ist heute noch Bethaus, das einzige, das in Kazimierz "in Betrieb" ist. Gottesdienste finden freitags und samstags statt. Der Bau geht auf eine Stiftung des Kaufmanns Israel Isserle Auerbach zurück, benannt ist die Synagoge sie jedoch nach dem Rabbi Moses Isserle, der auch "Remuh" genannt wurde.
Der benachbarte Friedhof ist neben dem Jüdischen Friedhof in Prag der einzige erhaltene in Europa. Der Friedhof wurde von den Österreichern 1799 geschlossen. 1940 rissen Nazis die 450 Grabstein aus der Erde gerissen und pflasterten damit den Gehsteig. Nach Kriegsende baute man eine Art Klagemauer an der Szeroka-Straße, in die die Grabtafeln eingebaut wurden. Let's Go Eastern Europe: "is a particularly moving site" - "ein besonders bewegender Ort". Erhalten blieb das Grab des Moses Isserle und die benachbarten Gräber seiner Angehörigen. Isabel Gawin berichtet, daß an dessen Geburtstag Juden aus aller Welt hierhe kämen: "kleine in Steinritzen geschobene Zettel künden davon, daß sie ihn für einen Wundertäter halten ... vertrauen ihm geheime Wünsche und Sehnsüchte an." Erhalten blieb auch der neuere Friedhof in der Miodow Straße, die einige Gehminuten entfernt liegt.

Eine weitere erhaltene Synagoge ist die Popper-Synagoge. 1620 von Wolf Popper gestiftet, einem jüdischen Kaufmann. (..) schräg angesetzte Pfeiler verleihen ihr einen festungsähnlichen Charakter" (Gawin).

 

Die Izaak-Synagoge, 1644 im Stil des Barock fertiggestellt, wurde 12 Jahre später vom Schwedischen Heer zerstört. Izaak Jakubowicz ist der Name eines Bankiers, nach dem auch die Gasse benannt wurde.

Kupa-Synagoge in der gleichnamigen Straße: auf deutsch bedeutet der Name "gemeinsam erwirtschaftetes Geld". 48 Jahre lang hätten die Einwohner gespart und gespendet, bis die Synagoge 1643 errichtet werden konnte. Es sei die ärmlichste der Synagogen in Kasimierz, berichtet Isabel Gawin.

Die Tempel-Synagoge befindet sich in der Miodow Straße Nr. 36. Das Gebäude wurde um 1650 von einer an der Aufklärung orientierten Gruppe errichtet.

Im ehemaligen Bethaus Bene Amun richtete die Judaica-Stiftung1994 ein Kulturzentrum ein (Centrum Kulturalny Zydowski).

Café Ariel - wurde 1992 eröffnet, im früheren Haus des Rabbi, die Einrichtung stammt aus dem 19. Jahrhundert, an den Wänden Bilder von jüdischen Malern, abends jüdische Musik. Steven Spielberg habe ins Gästebuch eingetragen: "Möge Ihr wunderschöenes Café 2000 Jahre fortbestehen."

Mikweh - das ist das ehemalige jüdische Badehaus. 1567 ertranken zehn Frauen - so die Überlieferung. Jüdischer Tradition gemäß mußten Frauen nach der Menstruation das tiefe Badehaus aufsuchen, jüdische Männer vor dem Versöhnungstag, die chassidischen Männer täglich vor dem Gebet.

Im Jordan-Palais ist heute ein Buchladen und das Café Arche Noah.

Isabel Gawin beschreibt in ihrem Reiseführer einen Rundgang über die Josephstraße ins christliche Viertel., und zurück in Krakauer Zentrum.

Die Josephstraße, der Alten Synagoge benachbart, stellt die Grenze des Jüdischen Ghettos zum benachbarten christlichen Viertel dar.

Sehenswert seien die Hohe Synagoge - Haus Nr. 40 aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, errichtet im Renaissance-Stil, also im selben Stil und zur gleichen Zeit erbaut wie die Tuchhallen am Rynek. Das Jüdische Tor befindet sich an der Kreuzung Joseph- und Jakobstraße. Hier wurden Besucher des Ghettos kontrolliert, um bewaffnette Überfälle zu verhindern. An der christlichen Fronleichnamskirche, Josephstraße 11, seien Juden von christlichen Pfarrschülern drangsaliert worden. Die Fronleichnamskirche wurde anfangs des 16. Jahrhundert erbaut. Gawin: "Im Innern kontrastiert karge architektonische Struktur mit opulenter barocker Schnitzkunst". Auf dem Friedhof das Grab Barolomeo Berrecci, des italienischen Baumeisters der Sigismundkapelle. Sehenswert sei auch das der Kirche angebaute Kloster. Der Marktplatz von Kaziermierz reicht in seiner enormen Größe an den Rynek heran, im 19. Jahrhundert wurde er durch Baumaßnahmen verkleinert. Zu sehen hier das Rathaus im Renaissancestil, seit den 50er Jahren ist hier das größte Ethnologische Museum Polens. Die Sammlung war von den Deutschen zum "Rassenstudium" nach Deutschland verbracht worden. Gezeigt werden Trachten, Volkskunst vor allem aus Südpolen.

Die benachbarte Krakowska-Straße war die wichtigste Verkehrsader von Kazimierz. Bis 1818 wohnten hier nur Christen. In den folgenden Jahren durften sich Juden auch außerhalb Kaziermierz ansiedeln, und jüdische Kaufleute erwarben Häuser in dieser Straße. 1867 wurden die Juden zu vollberechtigten polnischen Bürgern. Die Krakowska-Straße verarmte, als reichere Juden ins Zentrum Krakaus wegzogen. Gawin zitiert Alfred Döblin: "(...) Elender werden die Geschäfte, die Häuser sind völlig verwahrlost; es ist die Krakowskastraße." Die Autorin macht auf zwei Kirchen aufmerksam: die Katharinen- und die Paulinerkirche. Erstere von Kasimir III an den Augustinerorden gestiftet, um 1400 im gotischen Sti errichtet, . "Freunde klassischer Musik rühmen die Akustik der Kirche" . Durch einen Garten gelangt man zur Paulinerkirche. Am 8. Mai jeden Jahres findet eine christliche Prozession vom Wawel zum Skalka-Hügel statt, auf dem die Paulinerkirche errichtet wurde. Die Prozession findet zu Ehren Bischof Stanislaws statt, der im Jahre 1253 heiliggesprochen wurde. König Boleslaw II (1058 - 1079) hatte ihn grausam hinrichten lassen, nachdem ihn der Bischof mit dem Kirchenbann belegt hatte. Der König hatte versucht, in die Rechte des Bischofs einzugreifen. Boleslaw II wurde nach dieser Hinrichtung Papst Gregor IV exkommuniziert - eben dieser Papst hatte ihn zum polnischen König gemacht, als Boleslaw im Investiturstreit (Papst Gregor IV und der deutsche Kaiser Heinricht IV stritten um die Befugnis, Bischöfe einzusetzen) sich auf die Seite des Papstes geschlagen hatte.

 

Das Ghetto der Nazis
Im März 1941 errichteten die Nazis ein stacheldrahtumzäuntes Ghetto auch in Kasimierz. Zentraler Platz war Plaszow, die Grenze verlief in der Lwowska und Limonowskiego-Straße; Reste der Mauer sind am Südostende der Lwowska Straße erhalten. Tadeusz Pankiewicz, Besitzer der Apotheke "Zum Adler", blieb als einziger Pole im Ghetto wohnengeblieben. In diesem Haus wurde ein Museum eingerichtet, mit Glasmalerien von Witold Chomicz: "Inferno". Am 14. März 1943 waren nach mehreren Deportationen nach Auschwitz ungefähr 10 000 Juden im Ghetto verblieben. Es fand eine letzte Selektion statt, dann wurde das Ghetto aufgelöst. Die Bewohner wurden in ein Konzentrationslager in der Wieliczka-Straße am Ostrand Plaszow verbracht. Ein Denkmal von Witold Ceckiewicz erinnert in der Kamienskiego Straße daran.

Weitere Informationsmöglichkeiten zur Geschichte der Juden in Krakau;

Buch:
Jehuda L. Stein. Hrsg. von Erhard Roy Wiehn,
Juden in Krakau. Ein historischer Überblick ; 1173 - 1939
1. Aufl. 1997, Konstanz
Verlag Hartung-Gorre
137 Seiten, broschiert , ca. 15 Euro
ISBN ISBN 3-89649-201-2

Website:
Rebecca Weiner, The Virtual Jewish History Tour
http://www.jewishvirtuallibrary.org/jsource/vjw/Cracow.html
Kurze Inhaltsangabe:
Erste Juden in Krakau im späten 13. Jahrhundert:
Erste jüdische Gemeinde in Kazirmierz um 1350.
1369 erste Proteste und Diskriminierungen in bezug auf Hauseigentum
1407 und 1423, 1457 erste Übergriffe
1485 wurden Juden von den meisten Berufen ausgeschlossen
1494 erging eine königliche Order, daß sich Juden ausschließlich in Kazimierz niederlassen dürften
Im 16. Jahrhundert Zuwanderung von Juden aus Deutschland, Böhmen-Mähren, Italien, Spanien und Portugal.
Händler und Ärzte erhielten vom König besondere Privilegien, die 1563 widerrufen wurden
1570 zählte die jüdische Bevölkerung ca 2000 Einwohner.
1644 gibt es sieben Synagogen in Krakau und mehrere Talmut-Schulen.
Im 17. Jahrhundert kommen während des 30-jährigen Kriegs viele deutsche Juden nach Krakau. An der Pest sterben 1677 mehr als 1000 Juden in Kazimierz.